COPD hat viele Gesichter – Phänotypen und deren Therapieableitungen

Die COPD zeigt viele Gesichter, und immer wieder wird versucht, diese als Phänotypen zu charakterisieren. Auch der aktuelle GOLD-Report schlägt einen Phänotyp-basierten Ansatz vor, der eine stärker personalisierte Behandlung erlaubt.

In diesem Teil unserer COPD-Fortbildungsreihe stellen wir Ihnen das individuelle Vorgehen in Diagnostik und Therapie anhand von vier Patientenfällen vor. Es sind Fälle, wie sie in jeder Hausarztpraxis vorkommen können: Bei einem steht die Dyspnoe im Vordergrund, ein anderer klagt über Husten, und manchmal passen die Ergebnisse der Spirometrie nicht zu den Beschwerden. Erfahren Sie, welche Untersuchungsmethoden jeweils für Klarheit sorgen und welche Verfahren bereits frühe COPD-bedingte Schäden in den Atemwegen detektieren und quantifizieren können. Außerdem erhalten Sie Einblick in neue interventionelle Verfahren.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123100290015
Zeitraum 11.12.2023 - 10.12.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Frederik Trinkmann
Dr. med. Petra Sandow
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webinar
Lernmaterial Vorträge, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner AstraZeneca GmbH
Bewertung 4.3 (920)

Die COPD hat viele Gesichter

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine komplexe und heterogene Erkrankung, die ein breites Spektrum an Pathophysiologien, Symptomausprägungen und Verläufen umfasst. Im aktuellen Report der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease” (GOLD) wird die COPD definiert „als eine heterogene Lungenerkrankung, die durch chronische respiratorische Symptome (Dyspnoe, Husten, Auswurf und/oder Exazerbationen) aufgrund von Anomalien der Atemwege (Bronchitis, Bronchiolitis) und/oder der Lungenbläschen (Emphysem) gekennzeichnet ist, die zu einer anhaltenden, oft fortschreitenden Atemwegsobstruktion (FEV1/FVC <0,7) führen”. Die Heterogenität dieser Erkrankung spiegelt sich in vielen verschiedenen Patientengeschichten wider. Die COPD-Erkrankten können sehr individuell an verschiedenen Beschwerden leiden. Auch das Ansprechen auf die Behandlung und die Prognose kann unterschiedlich sein.

Ein Phänotyp-basiertes Vorgehen für eine individuellere Therapie

Seit Jahren wird versucht, die verschiedenen COPD-Merkmale so zu clustern, dass sich COPD-Phänotypen beschreiben lassen. Manche Arbeitsgruppen unterscheiden sechs, andere vier COPD-Phänotypen, z. B. den Emphysemtyp, den Bronchitistyp, den Asthma-COPD-Typ und den häufigen Exazerbierer. Ein allgemeiner Konsens über diese Phänotypen und was sie ausmacht, besteht nicht. Ein Phänotyp-basierter Ansatz wird auch im GOLD-Report vorgeschlagen, bei dem die Häufigkeit von Exazerbationen zusammen mit den Eosinophilen im peripheren Blut, dem Schweregrad der Atemwegsobstruktion (FEV1 in % vom Sollwert) und dem Gesundheitszustand des Erkrankten (gemäß COPD Assessment Test [CAT] und „Modified Medical Research Council [mMRC] Dyspnea Scale”) als Leitfaden für eine stärker personalisierte Behandlung verwendet werden. Während die Bewertung des Schweregrades auf der Grundlage der spirometrischen Auswertung gegenüber der vorigen Version des GOLD-Reports beibehalten wird, wurde die Einteilung der Patienten nach Symptombelastung und künftigem Exazerbationsrisiko aktualisiert.

Fallbeispiel aus der Hausarztpraxis

Am Beispiel einiger Fälle, wie sie in jeder Hausarztpraxis vorkommen können, soll das individuelle, leitliniengerechte Vorgehen in der Diagnostik und Behandlung der COPD veranschaulicht werden.

Fall 1: Alexander, 54 Jahre, Filialleiter einer Bank

  • BMI 29
  • Seit 30 Jahren Raucher, täglich ca. 30 Zigaretten (45 pack-years)
  • Ist aktiv, geht spazieren, spielt Golf
  • Berichtet nicht aktiv über Beschwerden, erst auf Nachfrage: Atemnot bei Belastung
  • Morgendlicher „Raucherhusten”
  • Erkältungen „schlagen auf die Bronchien”
  • Wacht nachts wegen Kurzatmigkeit auf
  • Fragliche Heuschnupfensymptomatik als Kind
Alexander kommt auf Wunsch der Ehefrau zum Check-up in die Hausarztpraxis. Er selbst hat scheinbar keinen hohen Leidensdruck, oder er hat sich mit seinen Beschwerden arrangiert. Bei der Anamnese werden u. a. typische Merkmale einer möglichen COPD erfragt. Aufgrund seines Alters, der Raucheranamnese und der geschilderten Symptome, Husten und Kurzatmigkeit, liegt der Verdacht einer COPD nahe. Die Check-up-Untersuchungen ergeben zudem einen zu hohen Blutdruck, eine Hyperlipidämie und Hyperurikämie sowie erhöhte Blutzuckerwerte. Ansonsten ist der Patient kardiologisch unauffällig.

Ist eine Spirometrie bei Alexander erforderlich?

Die Entscheidung für oder gegen eine Spirometrie lässt sich in der Hausarztpraxis mithilfe der folgenden drei Fragen einfach ermitteln: Ist der Patient ≥40 Jahre alt? Ist der Patient (Ex)Raucher? Hat der Patient Husten und/oder Atemnot? Können alle drei Fragen mit „Ja” beantwortet werden, ist eine Spirometrie gerechtfertigt, da ein erhöhtes COPD-Risiko besteht. Wie die „Burden of Obstructive Lung Disease”-Studie gezeigt hat, müssen in Deutschland durchschnittlich acht Personen im Alter von ≥40 Jahren spirometrisch untersucht werden, um bei einer Person die COPD-Diagnose zu bestätigen. Wird jedoch eine Vorauswahl der Patienten auf Basis der drei Fragen getroffen, verringert sich die Zahl der erforderlichen Untersuchungen („numbers needed to screen”, NNS) auf 2,1. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass bei jeder zweiten Spirometrie eine Person mit COPD identifiziert wird.

Spirometrie gehört zur Basisdiagnostik

Bei Verdacht auf COPD ist eine Spirometrie obligatorisch. Je nach den vorhandenen Möglichkeiten und Erfahrungen in der Hausarztpraxis kann diese Messung entweder selbst durchgeführt oder durch die Überweisung des Patienten an eine pneumologische Praxis veranlasst werden. Dort können neben der Spirometrie weitere Untersuchungen vorgenommen werden wie die Bodyplethysmografie (BPG).

Die Bodyplethysmografie liefert wichtige Zusatzinformationen

Die BPG – auch „große Lungenfunktion” genannt – ist im Vergleich zur Spirometrie ein sensitiveres, weniger von der Patientenmitarbeit abhängiges Messverfahren und empfiehlt sich daher besonders bei Patienten, die krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, forcierte Atemmanöver exakt auszuführen. Außerdem liefert sie wichtige Zusatzinformationen bei Dyspnoe, die nicht mit dem Schweregrad der Obstruktion korrelieren, sowie bei Patienten mit starkem Verdacht auf COPD, aber ohne Nachweis einer Obstruktion in der Spirometrie. Die BPG erleichtert zudem die Unterscheidung von Asthma und COPD.

Weitere diagnostische Maßnahmen

Mit einer Computertomografie (CT) lassen sich z. B. Lungenparenchymveränderungen quantifizieren; die Röntgen-Thorax-Untersuchung kann bei Verdacht auf eine Infektexazerbation oder zum Ausschluss eines Lungenkarzinoms hilfreich sein. Wichtig außerdem: ein Differenzialblutbild mit Bestimmung der Eosinophilen, da das Ergebnis Einfluss auf die Therapieentscheidung hat. Obligatorisch sollte auch die Bestimmung von Alpha-1-Antitrypsin sein, um einen Mangel als Ursache für die COPD auszuschließen.

Symptom- und Risikobewertung – Grundlage von Therapieentscheidungen

Um individuelle Therapieentscheidungen treffen zu können, sollten die Symptome der Patienten systematisch erfasst und deren Exazerbationsrisiken beurteilt werden. Standardisierte und validierte Fragebögen wie der „Modified Medical Research Council (mMRC) Dyspnea Scale” und der COPD Assessment Test (CAT) sind zur strukturierten Erfassung der Dyspnoe bzw. Symptome geeignet. Der CAT deckt acht relevante Symptombereiche von COPD-Erkrankten ab, deren Schwere von den Patienten anhand einer 6-Punkte-Skala (Werte zwischen 0 und 5) selbstständig eingeschätzt werden. Die Summe der einzelnen Punkte ergibt einen Wert zwischen 0 und 40 Punkten. Je niedriger der CAT-Score, desto weniger ist der Alltag durch die COPD beeinträchtigt. Der CAT stellt im Praxisalltag ein wichtiges Instrument zur Behandlungsevaluation dar und dient dem Erkennen der Notwendigkeit einer Therapieoptimierung. Die Leitlinien empfehlen daher den CAT bei jedem COPD-Arzttermin. Der Patient kann jederzeit im Internet auf den Fragebogen zugreifen, diesen online ausfüllen und den Ausdruck zum Arztgespräch mitbringen. Mit der mMRC-Dyspnoe-Skala lässt sich der Schweregrad der Dyspnoe von COPD-Patienten subjektiv einteilen. Die mMRC- und die „New York Heart Association (NYHA) Functional Classification”-Skala sind sowohl inhaltlich als auch strukturell vergleichbar. Sie umfassen jeweils vier Kategorien, wobei höhere Grade schwerere Symptome, eine Einschränkung der körperlichen Aktivität und einen schlechteren Gesundheitszustand anzeigen.

Symptom- und Exazerbationsanamnese bei Alexander

Bei Alexander wird in der Spirometrie der Nachweis einer persistierenden Atemwegsobstruktion erbracht. Mit einer FEV1 von 66 % vom Sollwert liegt bei ihm eine COPD vom Schweregrad GOLD 2 vor. Aufgrund seiner Angaben zur Kurzatmigkeit wird diese auf der mMRC-Dyspnoe-Skala als Grad 1 bewertet; im CAT erreicht er 21 Punkte. Möglicherweise hat Alexander bereits eine Exazerbation erlebt, da er sich an eine starke Bronchitis im vergangenen Winter erinnert. Da zu dem Zeitpunkt noch keine COPD bekannt war, ist die Exazerbation nicht gesichert.
  • COPD GOLD 2
  • mMRC Grad 1
  • CAT 21 Punkte
  • 1 Exazerbation (?)
Aufgrund der Symptom- und Exazerbationsanamnese wird Alexander der Risikokategorie B zugeordnet.

Medikamentöse und nicht medikamentöse Therapien bei Alexander

Gemäß den aktuellen GOLD-Therapieempfehlungen ist für Alexander eine Dauertherapie mit einem lang wirksamen Anticholinergikum („long-acting muscarinic-receptor antagonist”, LAMA) und einem lang wirksamen Beta-2-Agonisten („long acting beta-2-agonist”, LABA) indiziert. Aus Gründen der Therapieadhärenz sind Kombinationspräparate den Monopräparaten vorzuziehen. Alexander erhält aufgrund seiner COPD folgende Behandlungen bzw. Beratungen:
  • Verordnung einer LAMA+LABA-Fixkombination; zweimal tägliche Gabe aufgrund nächtlicher Luftnot
  • Influenza- und Pneumokokken-Schutzimpfung
  • COPD-Patientenschulung
  • Beratung zum Nikotinverzicht
Außerdem werden seine Komorbiditäten spezifisch behandelt.

DiGA zur Rauchentwöhnung und zur Therapiebegleitung bei COPD

Zur Unterstützung der Rauchentwöhnung können Hausärzte allen Patienten mit diagnostizierter Tabakabhängigkeit (ICD 10 F17.2) eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnen. Bei der dauerhaft ins DiGA-Verzeichnis aufgenommenen „NichtraucherHelden-App” handelt es sich um ein motivierendes, 90-tägiges, auf die persönlichen Bedürfnisse der Patienten zugeschnittenes Nichtrauchercoaching. „Kaia COPD”, die bisher einzige speziell für COPD-Patienten zugelassene DiGA, vermittelt die Kernelemente der pneumologischen Rehabilitation, um die körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität von COPD-Patienten zu verbessern. Sie beinhaltet die Therapieelemente Bewegung, Edukation sowie Entspannungs- und Atemtechniken. Die App wurde bislang vorläufig ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Für beide DiGA gilt: Alle gesetzlich Versicherten mit entsprechender Diagnose haben einen Anspruch auf die App; die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Die Verordnung erfolgt einfach über die Praxissoftware und ist extrabudgetär.

Therapieerfolg bei Alexander

Alexander konnte seinen Zigarettenkonsum auf ca. fünf Zigaretten pro Tag reduzieren. Er gibt an, deutlich belastbarer und konzentrationsfähiger zu sein. Treppensteigen ist ohne Verschnaufpausen möglich, und nachts kann er wieder gut durchschlafen. Auch der Husten hat sich deutlich gebessert. Der CAT-Score, der zuvor bei 21 lag, hat sich auf einen Wert von 8 reduziert. Das bedeutet, dass Alexanders Alltag praktisch kaum noch durch die COPD beeinträchtigt ist. Alle drei bis sechs Monate wird bei einem Kontrolltermin überprüft, ob sich die Symptomatik wieder verschlechtert, um ggf. frühzeitig gegensteuern zu können.

Fall 2: Dieter, 65 Jahre, Rentner

  • Luftnot z. B. beim Treppensteigen
  • Fühlt sich im Alltag dadurch eingeschränkt
  • Spirometrie: FEV1/FVC 0,54, FEV1 97 % des Solls
  • Residualvolumen 160 % des Solls
  • Transferfaktor 57 % des Solls
Bei Dieter steht die Luftnot im Vordergrund, die ihn im Alltag bereits stark einschränkt. Allerdings erklären die Ergebnisse der Spirometrie nicht die schwere Dyspnoesymptomatik. Daher ist eine gründliche Abklärung und erweiterte Diagnostik in einer pneumologischen Praxis erforderlich. Der Verdacht auf COPD steht im Raum; differenzialdiagnostisch sollte u. a. eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen werden. Bei Dieter wird eine Bodyplethysmografie (BPG) durchgeführt. Diese zeigt anhand des Residualvolumens von 160 %, dass der Patient deutlich überbläht ist. Das Residualvolumen nimmt mehr als 60 % seiner totalen Lungenkapazität ein. Das heißt, die Atemmittellage ist inspiratorisch verschoben. Der verminderte Transferfaktor („transfer factor of the lung for carbon monoxide, TLCO) weist auf eine mittelgradige Einschränkung hin. Dieter wird mit zwei lang wirksamen Bronchodilatatoren (LABA+LAMA-Kombinationstherapie) versorgt. Gemäß den GOLD-Empfehlungen sollen Patienten, bei denen die Dyspnoe persistiert, möglichst früh eine duale Bronchodilatation erhalten. Bei unzureichendem Ansprechen auf die Behandlung kann ein Wechsel des Inhalators oder der Wirkstoffe innerhalb der gleichen Wirkstoffklasse (z. B. Verwendung eines anderen lang wirksamen Bronchodilators) ggf. in Betracht gezogen werden. Auch können nicht pharmakologische Behandlungen eingeführt oder eskaliert werden, wie z. B.
  • Schulungen bzw. Nachschulungen zum Selbstmanagement,
  • spezielle Programme zur pulmonalen Rehabilitation,
  • Stressbewältigungsstrategien,
  • Atemphysiotherapie,
  • Lungensport.

Fall 3: Bernhard, 58 Jahre, Lehrer

  • BMI 23
  • Ex-Raucher (seit 20 Jahren rauchfrei)
  • Husten verschlimmert sich bei Anstrengung
  • Ist häufig erkältet mit stark verschleimten Bronchien
  • Luftnot ist für ihn kein wesentliches Thema
Im Gegensatz zu Alexander stehen bei Bernhard nicht die Dyspnoe, sondern Husten und Auswurf im Vordergrund. Da klinisch der Verdacht auf eine COPD besteht, wird eine Spirometrie durchgeführt, die jedoch unauffällig ist (FEV1/FVC 79 %, FEV1 85 % des Solls). Dennoch kann eine COPD im Frühstadium vorliegen, denn diese wäre allein durch eine Spirometrie nicht nachweisbar. Erst wenn das Lungengewebe zu mehr als 30 % geschädigt ist und die Obstruktion der Bronchiolen mehr als 75 % beträgt, zeigen sich Abweichungen in der Spirometrie. Für Patienten wie Bernhard mit Verdacht auf COPD ohne spirometrischen Nachweis spielt daher die bildgebende Diagnostik eine wichtige Rolle.

Bildgebende Diagnostik im COPD-Frühstadium

Mithilfe radiologischer Untersuchungen können alternative Diagnosen, z. B. ein Bronchialkarzinom oder eine Pneumonie, ausgeschlossen und Begleiterkrankungen wie Lungenfibrose oder Bronchiektasen erkannt werden. Die Computertomografie ist die Untersuchung der Wahl, um das Ausmaß eines Emphysems und der Beteiligung der kleinen Atemwege („small airway disease”, SAD) zu bestimmen. Dies ist wichtig für eine Einschätzung der Prognose und eine individualisierte Therapieentscheidung. Das Vorliegen eines Emphysems ist u. a. mit einer schnelleren Abnahme der Lungenfunktion sowie mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Lungenkrebs assoziiert. Eine detailliertere computergestützte CT-Analyse ermöglicht zudem die Quantifizierung von Atemwegsanomalien wie Verengungen und Verschlüssen der kleinen Atemwege. Diese treten früher auf als Emphyseme oder die allmähliche Zunahme des peripheren Atemwegswiderstandes. Dies deutet darauf hin, dass CT-Untersuchungen Anomalien vor dem Auftreten klinischer Symptome und früher als Lungenfunktionsindizes erkennen können. Daher wird bei Bernhard eine quantitative Computertomografie (qCT) veranlasst.

Quantitative Computertomografie zur Abklärung

Mit der quantitativen Computertomografie (qCT) können bereits frühe COPD-bedingte Schäden in den Bronchiolen und Wandverdickungen detektiert und quantifiziert werden. Dazu werden zunächst CT-Scans der Lunge in Inspiration und Exspiration angefertigt, die anschließend mit einem Bildanalyseverfahren, dem parametrischen Response-Mapping (PRM), ausgewertet werden. Das PRM liefert mithilfe komplexer bioinformatischer Analysen und Berechnungen ein farbiges Bild der Lunge. Dadurch werden funktionelle Einschränkungen in den kleinen Atemwegen („functional small airway disease”, fSAD) oder eine Parenchymdestruktion, wie sie beim Lungenemphysem vorkommt, sichtbar gemacht. Das Ausmaß der fSAD gilt als signifikanter Prädiktor für die Verschlechterung der Lungenfunktion und für das Fortschreiten der COPD. Es bedeutet aber auch, dass diese (gelben) Areale mit einem Bronchodilatator potenziell noch rekrutierbar sind.

Erhöhtes Sterberisiko bei „Mucus Plugs“

Bei Bernhard sind im CT-Scan Schleimpfropfen („Mucus Plugs”) in den Bronchiolen sichtbar. Das ist keine Besonderheit; bei 25 bis 67 % der CT von COPD-Erkrankten werden „Mucus Plugs” beobachtet, die die Atemwege vollständig verschließen. Diese Plugs persistieren bei den meisten Patienten auch nach einem Jahr (67 %) sowie nach fünf Jahren (73 %) und sind mit verminderter Lungenfunktion und Lebensqualität assoziiert. Darüber hinaus kann der Verschluss der Atemwege durch „Mucus Plugs” das Infektionsrisiko erhöhen. Eine retrospektive Beobachtungsstudie hat kürzlich gezeigt, dass „Mucus Plugs”, die mittlere bis große Atemwege verschließen (ca. 2 bis 10 mm Lumendurchmesser), die Gesamtsterblichkeit der COPD-Patienten erhöhen. In die Analyse einbezogen wurden 4363 Teilnehmer (im Mittel 63 Jahre alt) mit einer COPD-Diagnose aus der „Genetic Epidemiology of COPD”-Kohorte. Etwa 19 % hatten „Mucus Plugs” in drei und mehr Lungensegmenten, ca. 22 % in ein bis zwei Lungensegmenten und ca. 59 % hatten keine. Das Vorhandensein von „Mucus Plugs” in ein bis zwei vs. null und ≥3 vs. null Lungensegmenten war mit einer bereinigten Hazard Ratio für den Tod von 1,15 (95 %-KI: 1,02–1,29) bzw. 1,24 (95 %-KI: 1,10–1,41) assoziiert. Am niedrigsten waren die Mortalitätsraten bei Teilnehmern im GOLD-Stadium 1 (leichte COPD) und einer „Mucus Plug”-Score-Kategorie von 0 und 1 bis 2. Bei Teilnehmern im GOLD-Stadium 4 (sehr schwere COPD) und einer „Mucus Plug”-Score-Kategorie von 1 bis 2 sowie ≥3 waren die Mortalitätsraten am höchsten.

Sekretolyse und andere nicht medikamentöse Maßnahmen

Für Bernhard stellen die „Mucus Plugs” also ein erhöhtes Risiko dar; zudem beeinträchtigt der Husten seinen Alltag. Um das Abhusten von Sekret zu erleichtern, wird ihm regelmäßiges Inhalieren einer hypertonen Kochsalzlösung (NaCl 3 bis 6 %) empfohlen. Die Dauer der Inhalation beträgt je nach Verneblergerät etwa 15 bis 30 Minuten. Zur Vermeidung einer Bronchokonstriktion können vor jeder Kochsalzinhalation prophylaktisch kurz wirksame Betasympathomimetika angewandt werden. Außerdem sollten Betroffenen wie Bernhard nicht medikamentöse Maßnahmen wie Lungensport und Atemphysiotherapie angeboten werden. Grundsätzlich profitieren Patienten mit COPD in jedem Schweregrad von körperlichen Trainingsprogrammen.

Exkurs: Interventionelle Verfahren

Die endoskopische Lungenvolumenreduktion

Für COPD-Patienten mit fortgeschrittenem Emphysem, die trotz optimaler konservativer Behandlung unter Atemnot leiden, kann die endoskopische Lungenvolumenreduktion (ELVR) eine sichere und wirksame Therapie darstellen. Seit einigen Jahren ist die ELVR zur Therapie des Lungenemphysems in der nationalen S2k-Leitlinie und den GOLD-Empfehlungen verankert. Die Wahl der geeigneten Patienten für eine ELVR setzt eine gründliche Anamnese sowie das gesamte Spektrum der Lungenfunktionsprüfung, der Thoraxbildgebung, der Echokardiografie und der Blutgasanalyse voraus. Im Allgemeinen wird die ELVR nur bei Patienten mit erheblicher Symptombelastung (mMRC ≥2 oder CAT-Score ≥10) und eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit (6-Minuten-Gehstrecke >100 m, aber <450 m) in Betracht gezogen. Weitere Kriterien sind eine stark eingeschränkte Lungenfunktion (FEV1 15 bis 50 % des Sollwertes), eine signifikante Hyperinflation (nachgewiesen durch eine Gesamtlungenkapazität [TLC] ≥100 % des Sollwertes und ein Residualvolumen [RV] von ≥175 % des Sollwertes) sowie eine schwere Diffusionsstörung mit einem auf ≥20 % des Sollwertes verringerten Transferfaktor (TLCO), auch wenn dieser Grenzwert kein definitives Ausschlusskriterium ist. Die bronchoskopische Ventilimplantation ist das am häufigsten angewendete und am besten evaluierte Verfahren zur endoskopischen Lungenvolumenreduktion. Dabei werden kleine Einwegventile in die Bronchien eingebracht, die den Einstrom von Atemluft in den Ziellappen blockieren, den Ausstrom jedoch zulassen. Auch Sekret kann darüber abgeleitet werden. Durch die Verringerung der Hyperinflation verbessern sich Lungenfunktion, körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Voraussetzung für die Ventiltherapie ist der Ausschluss einer kollateralen Ventilation. Wichtig ist daher eine sog. Fissurenanalyse in einer hochauflösenden Computertomografie. Das Verfahren ist potenziell reversibel und wird in Lungenfachkliniken und größeren Krankenhäusern angeboten.

Bronchiale Rheoplastie

Für COPD-Patienten wie Bernhard, bei denen eine chronische Bronchitis mit Husten und Schleim im Vordergrund stehen, kann die Rheoplastie eine sinnvolle Therapieoption darstellen. Dabei werden kurze Impulse hochfrequenter elektrischer Energie an das Epithel der Atemwege abgegeben, die auf submuköse Gewebeschichten und die Becherzellen abzielen, um deren Ersatz durch gesünderes Gewebe zu fördern. Derzeit wird die Wirksamkeit dieser Therapie in Studien untersucht; in der Routine ist die Rheoplastie noch nicht verfügbar.

Fall 4: Angelika, 50 Jahre, Bürokauffrau

  • Bekannte COPD seit drei Jahren
  • Dualtherapie mit LABA+LAMA
  • Zwei mittelschwere Exazerbationen im vergangenen Jahr
  • Aktuell wieder akute Verschlechterung
  • Bluteosinophile 335 Zellen/µl
Aufgrund ihrer Exazerbationshistorie wird Angelika der Risikogruppe E zugeordnet. Bei vorbehandelten Patienten der Gruppe E, die unter der dualen Bronchodilatationstherapie weiterhin exazerbieren, wird die Eskalation zu einer Triple-Therapie (LABA+LAMA+Inhalatives Kortikosteroid [ICS]) ab einer Eosinophilenzahl von 100 Zellen/μl empfohlen. Folglich besteht bei Angelika die Indikation zur Triple-Therapie: Sie erhält zu ihrer bestehenden LABA+LAMA-Therapie ein inhalatives Kortikosteroid (ICS), um weitere Exazerbationen möglichst zu verhindern. Bei den Kontrollterminen in (fach) ärztlich üblichen Intervallen von drei bis sechs Monaten sollte jeweils geprüft werden, ob eine Deeskalation der Therapie möglich ist. Eine Therapie mit LABA+ICS wird im aktuellen GOLD-Report nicht mehr empfohlen. Auch bei einer kürzlich erfolgten Hospitalisierung aufgrund einer COPD-Exazerbation kann die Dreifachtherapie von Vorteil sein. Bei anhaltend auftretenden Exazerbationen unter Triple-Therapie oder bei Patienten mit einer Eosinophilenzahl <100 Zellen/μl, kann die Zugabe eines Makrolids oder des selektiven Phosphodiesterase-4-Hemmers Roflumilast erwogen werden.

Eosinophile Granulozyten als Entscheidungshilfe

Bei jedem Patienten ist das Risiko-Nutzen-Verhältnis für den Beginn einer Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) sorgfältig abzuwägen. Die Herausforderung besteht vor allem darin, diejenigen COPD-Erkrankten zu identifizieren, die am meisten von einer ICS-Therapie profitieren und gleichzeitig das geringste Risiko für ungünstige Nebenwirkungen haben. Bei COPD-Kranken mit Asthma in der Vorgeschichte ist ein ICS obligatorisch. Besteht eine Indikation für ein ICS, so ist LABA+LAMA+ICS nachweislich besser als LABA+ICS und daher die bevorzugte Wahl.

Fazit

Die hier gezeigten Fallbeispiele legen dar, dass die COPD eine Erkrankung mit vielen Gesichtern ist, der die aktuelle Klassifikation (noch) nicht immer gerecht wird. Dennoch lohnt es sich, stets genau hinzusehen, da für viele klinische Probleme schon heute gute und individuelle Lösungen bestehen.

Bildnachweis

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